Der Spionage-Skandal zum Jahreswechsel
Das ist doch wirklich absurd: Wir in unserem Büro der ABHÖRSPIELE haben das Thema Spione gerade wieder voll im Visier, weil wir an unserer ersten Retro-Reihe arbeiten; Arbeitstitel „Der Königsmörder“ – die zentrale Person ist Günter Guillaume, der SED-Spitzel, der in unserer Geschichte selbst abgehört wird, weil man ihm nicht recht traut. Denn er ist auf den damaligen deutschen Bundeskanzler Willy Brandt angesetzt und gibt nur unbedeutende Berichte ab. Seine Auftraggeber werden misstrauisch und hören den eigenen Spion ab. Soviel als Parallele und zur Erklärung meines Sonder-Interesses, wenn ich jetzt von Spionen im BND höre: Spione bei den Spionen!
Die Süddeutsche Zeitung vom 23. Dezember 2022 berichtet auf der Titelseite: „BND-Agent festgenommen“. Die Welt der Spione erinnert damit kurz vor Weihnachten an seine beständige Existenz. Schade nur, dass die Jahresrückblicke nun bereits fertig verfasst und aufgenommen sind. Somit wird diese Information wahrscheinlich dem Schicksal des raschen Vergessens anheim fallen. Vielleicht hätte sie mehr Aufmerksamkeit verdient, wer von uns kann das wissen. Wie Sie sehen, folge ich dem impulsiven Wunsch nach Verlängerung des Nachrichten-Status durch Wiederholung, zitierend aus dem Artikel.
„Der BND-Mitarbeiter soll Informationen an Russland weitergegeben haben… und wurde wegen des Verdachts auf Landesverrat festgenommen.“ – Da stehen Vokabeln wie „Staatsgeheimnis“ in dem Artikel und öfters das Wörtchen „sei“: „Derjenige sei am Vortag festgenommen worden….“ (warum hier das Wörtchen „sei“ zum Einsatz kommt, ist mir unklar, denn das wird man wohl mit Sicherheit sagen können, ob der nun festgenommen wurde oder nicht) – „…Seine Wohnung und sein Arbeitsplatz sowie der einer weiteren Person seien durchsucht worden….“ Warum so schwammig? Welcher Quelle wird hier nicht vertraut? Der DPA vielleicht? Die Deutsche Presseagentur ist ein Dienstleister und versorgt Medien mit Informationen. Sie wurde 1949 gegründet von Fritz Sänger. (Würde ein fiktionaler Autor in dem Zusammenhang diesen Namen wählen, sei ihm platter Humor vorgeworfen. Nur die Realität darf das.) In der von Fritz Sänger gegründeten, mittlerweile größten deutschen Presseagentur wird gesungen, gezwitschert, und nicht nur, was die Spatzen ohnehin schon von den Dächern zwitschern… sobald es die DPA zwitschert, überschreitet die Information die Schwelle von geheim zu nicht geheim.
Entschuldigen Sie bitte den kleinen Seitenabstecher zum „zwitschernden Vögelein“. Das hat aktuell ja auch schon wieder eine brandneue Deutung hinzugewonnen, durch Twitter und Elon – zurück zum Thema: Ein Spion wird entdeckt und überschreitet die Schwelle von geheim zu nicht geheim, von unsichtbar und verdeckt, in die Sichtbarkeit. Was wir als Normalbürger dann mit so einer Nachricht anfangen, die ohnehin aus Gründen des Staatsschutzes nichts weiter verrät und ob wir irgendwie Stellung beziehen, sei dahingestellt. Und in diesem Kontext finde ich das Wörtchen „sei“ angebracht.
Aus der Verlängerung des Artikels auf Seite 5 erfahren wir dann auch folgendes: „Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz“ (nicht zu verwechselon mit dem Bundnaturschutz) „Thomas Haldenwang, mahnte bereits im Sommer (2022): „Wir taxieren heute das Niveau der Spionage gegen Deutschland mindestens auf dem Stand des Kalten Krieges – wenn nicht deutlich höher.“
Mit dem Satzbau des Zitates habe ich ein Grammatikproblem, da fehlt mir persönlich die Präposition „an“ (wir taxieren an). Aber ich bin ja keine Deutschlehrerin und bei wörtlich zitiert in der Süddeutschen weiß man auch nicht, ob die ein Zitat mit Fehler abdrucken, weil wörtlich eben wörtlich bedeutet oder ob das jetzt die Folge der Einsparungen von Lektoren ist – das sei in den Raum gestellt und bleibt offen.
Jetzt wäre ich versucht zu sagen: „Na dann mal „Schönes Neues Jahr!“ – aber das ist ja auch schon wieder „neu belegt“ durch die Geschichte. Dieses Jahr klingt der ehemals fromme Neujahreswunsch geradezu nach blanker Ironie mit bitterem Beigeschmack oder schlicht nach schlechtem Geschmack. Wer wünscht denn aktuell noch ohne Hintergedanken „ein Schönes Neues Jahr“ bei der Gemengelage an Desastern?
Wir bei Abhörspielen bestimmt nicht. Dafür wollen wir Ihnen ein Versprechen geben: Nicht nur die Spione arbeiten beständig, auch wir bleiben mit aufmerksamen Ohren an den Abhörmikrophonen der Spione dran. Also spionieren für Sie weiterhin die Spione aus und faken den Fake.
Doppelt gefaked hält besser – auf den Neujahrsspruch zum Jahreswechsel 2023 können wir uns hier in unserem Büro einigen.
Einen Guten Rutsch! Das passt immer.
Herzlicht – Ihr ABHÖRSPIELE-Team
Wir senden an dieser Stelle beste Grüße an unseren Deepfake-Kollegen Chris Boettcher, viele schöne Angela-Deepfake-Bilder sind bei ihm zu finden: im Zuge seiner Deepfakearbeiten zu Angela Merkel